Verfasst von: Toni | 4. Dezember 2009

Stadtteilförderung

Neulich hatte ich im Kaßca, einer sehr netten Kneipe auf der Barbarossastraße, ein ganz typisches Kaßberg-Sonnenberg-Gespräch. Als ich die Wirtin für ihren Laden lobte und anregte, doch eine Filiale auf dem Sonnenberg zu eröffnen, lautete ihre Reaktion, dass man doch bei diesen Leuten keine Kneipe aufmachen brauche, ja, man sich doch nicht einmal nachts auf die Straße trauen dürfe, noch nicht einmal, um vom Auto ins Haus zu gelangen!

Die letzte Notiz nur am Rande (so als Beispiel für diese gruselige Kaßberg-Arroganz), es geht mir um die erste Äußerung: Sie offenbart genau jenen Teufelskreis, der daran schuld ist, dass es hier doch etwas trostlos ist. Es gibt kaum ein ansprechendes Kneipen- und Einkaufsangebot, also zieht niemand hier her. Und wenn es hier keine entsprechende Klientel gibt, eröffnet hier auch niemand einen Laden. Die Leerstandsquote der Ladenlokale von grob geschätzt 50-60% spricht eine klare Sprache.

Wie wäre es aber, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, Anreize zu schaffen, sich hier anzusiedeln? Bunte Gärten, Spielplätze und Abbruch-Baulücken sind ja wohl eher ein schlechter Scherz. Doch: Jeder Industrieinvestor erhält Fördergelder, warum nicht auch ein Gastronom oder ein Drogerist? Man könnte doch beispielsweise einen Mietzuschuss zahlen, der eine zu erwartende Durststrecke von ein, zwei Jahren zu überbrücken hilft. Gleichzeitig könnte man auch Mieter anlocken, wenn man etwa sagt: Wer hier her zieht und länger als 3 Jahre hier wohnt, bekommt das erste halbe Jahr seiner Mietkosten zurück. Bis dahin könnte sich ein selbsttragendes System entwickeln und die Förderung könnte stufenweise zurückgefahren werden.

Dafür braucht es natürlich ein Konzept. Zu erwarten ist freilich ein starker Konkurrenzkampf und ein noch stärkerer Druck auf Stadtteile, die nicht derartig gefördert werden. Aber warum auch nicht? In Zeiten schwindender Einwohnerzahlen muss sich das Rathaus endlich dazu durchringen, den Rückbau konsequent zu betreiben, d.h. gegebenfalls auch einen ganzen Stadtteil aufzugeben. Es darf sich nicht länger hinter dem Scheinargument verstecken, dass man ja die Bedürfnisse der Einwohner des Heckert-Gebietes ernst nehmen und jedem seine Wohnung lassen müsse. Wer die Platte liebt, findet in dieser Stadt Hunderte andere baugleiche Wohnungen und es kann doch auch so geregelt werden, dass feste nachbarschaftliche Beziehungen gemeinsam einen neuen Block, etwa im Yorck-Gebiet oder in Kappel beziehen. Soviel zu den Bedürfnissen des Einzelnen. Die Vielen aber wollen eine lebendige, keine zersiedelte Stadt und diese muss zukunftsfähig bleiben. Mit „hohlen Zähnen“ und Wohnblocks vertreut in der Landschaft wird dies wohl kaum gelingen. Denn: Was an städtebaulicher Karreestruktur einmal zerstört ist, kommt nicht wieder. In absehbarer Zeit wird kein Bauherr mehr Gesimse, Friese, Schaugiebel und Risaliten bestellen. Sollten irgendwann Plattenbauten wieder in Mode kommen, können die leichter wiederhergestellt werden. Deshalb braucht es endlich ein klares Bekenntnis zur Kernstadt, zum Sonnenberg, zu Schlosschemnitz, zum Brühlviertel. Der Kassberg funktioniert bereits und würde durch eine solche Maßnahme wohl kaum in Bedrängnis geraten, aber wenn sie dem Heckert oder vielleicht sogar einigen 90er-Jahre-Neubausiedlungen zu Leibe rücken würde, dann wäre das eine gute Sache, besonders wenn die dortigen Bewohner wirkliche Argumente statt bloßer Wir-müssen-eben-Abreißen-geht-nicht-anders-Rhetorik vorgesetzt bekämen.


Antworten

  1. Köstlich, die Szene im Café! Ich finde, es macht wirklich Spaß, auf dem Sonneberg zu wohnen, allein schon wegen solcher Reaktionen. Das hast Du ja herrlich provoziert. Passt auch sehr gut zu meiner Frage: Da ist ja ein neuer Grieche an Deiner Ecke, wie ist der? Warst du schon da? Ich wollte nächste Woche mal hingehen.

  2. Jaja, man genießt schon einen gewissen Freakstatus, mit dem ich mich – wie in einigen Artikeln hier ersichtlich – aber sehr wohl fühle. Und wer das eben nicht versteht oder verstehen will, na der soll eben mit seinem Latte Macchiato glücklich werden.

    Den Griechen an der Ecke kenne ich noch nicht, sieht aber recht einladend aus. In Chemnitz habe ich aber im Allgemeinen keine guten Erfahrungen gemacht. Unschlagbar, mit fantastischem Essen und einer sehr schönen Atmosphäre, ist nach wie vor der Grieche in Frankenberg: http://www.restaurant-athene.de/

    • Der Grieche Jamas ist gut. Wenn man will, wird man mit Ouzo zugeschüttet, das gefiel mir gerade nicht so. Aber das Essen war gut und die Bedienung sehr aufmerksam. Durchaus etwas, wo man abends mal hingehen kann. Frankenberg rangiert bei mir eher unter Ausflug. Aber das merke ich mir für den Sommer.

  3. Klingt doch ganz gut! Werd ich auch mal ausprobieren.

    Schöne Weihnachten wünsch ich Dir! Hat denn die ganze Kocherei geklappt auch ohne Wochenmarkt?

    • Ja, danke, bin noch mittendrin. Die Metzergerei Thiele an der Zietenstraße hat sich mal wieder bewährt, diesmal als Lieferantin einer köstlichen ehemals sächsisch schnatternden Gans. Und anderer leckerer Sachen, zum Beispiel den diversen Leberterrinen und der Walnuss-Salami.
      Die Esskastanien von einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt – die einzige Stelle, wo wir überhaupt welche fanden – waren jedoch ein Sonderangebot und fast alle schimmlig. Zum Glück hat einer der Weihnachtsgäste das Schälen übernommen …
      Zu Silvester kommen die nächsten Gäste. Es macht Spaß, die Stadt zu zeigen.


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